Die Sicherheit und die Angst um die Privatsphäre sind seit Wochen ein immer wieder gern genommenes Thema, wie die Talkrunde bei Maybrit Illner oder der Spiegel-Titel 2/2010 zeigen. Vor allem Google steht mit seiner „Datensammelwut“ als „digitale Supermacht“ am Pranger.
Viele Bedenken, die geäußert werden, zeugen von teils erschreckender Unkenntnis – wenn beispielsweise Frau Aigner bei Illner Facebook und Google Steetview in einen Topf wirft, teils zeigen sie ein Weltbild, das von der technischen Entwicklung überrollt wurde. Es ist praktisch gesehen illusorisch, einen „digitalen Radiergummi“ zu entwickeln, der ein ungewolltes Bild oder einen Forumsbeitrag ungeschehen machen kann. Ich bin mir sicher, dass es möglich ist, in einer weltumspannenden Konferenz die Kinderpornographie zu ächten und entsprechende Server aus dem Netz zu nehmen – wobei auch hier eine vollständige Lösung wohl kaum möglich ist.
Es ist auch chic geworden, gegen Streetview zu wettern. Beim mir ist der Google-Wagen letztes Jahr vorbeigefahren – na und? Klar, es gibt einige wenige Betroffene – wie den Menschen, der beim Betreten des Sexshops fotografiert wurde oder die diversen Oben-Ohne-Schnappschüsse der Streetview-Wagen. Aber für den Rest von uns ändert sich nichts. Das oft vorgebrachte Argument, zum Beispiel ein Bankbeamter könne das Haus ansehen und daraus auf den sozialen Status spekulieren, läuft ins Leere – längst existieren Datenbanken bei Ratingagenturen, die dem Banker auf einen Blick sagen, ob wir in einer „solventen“ Gegend wohnen.
Ich frage mich, ob wir nicht in der heutigen Zeit den Begriff von Privatsphäre neu definieren und gleichzeitig unser Auftreten im Internet anders bewerten müssen. Die Messlatte für meine Präsentation ist folgende: Wäre ich damit einverstanden, dass diese Informationen auf einer Plakatsäule auf dem Friedrichshafener Marktplatz zu lesen bzw. zu sehen wären? Würde ich eine Diskussion auf dem Marktplatz in der selben Weise führen? Würde ich meine persönlichen Daten jedem Fremden auf diesem Marktplatz aushändigen?
Viele Menschen sind gleichzeitig sehr offen mit ihren Daten und benehmen sich andererseits im Schutze der Anonymität wie der Elefant im Porzellanladen. Dies lässt sich leicht in Foren nachvollziehen, wo ohne strenge Moderation oft ein Ton herrscht, der im „echten Leben“ eine Massenschlägerei auslösen wurde. Gleichzeitig führen sich manche Menschen in Foren, die ich immer wieder mitlese, auf, als ob sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten. Diese selbsternannten Instantexperten erklären jedem Neuling ihre Sicht der Welt, wie falsch sie auch immer ist. Ich trete in Foren immer mit Klarnamen auf, weil ich das für eine Frage der Höflichkeit halte – ich sitze ja auch nicht mit einer Maske in der Kneipe.
Die Diskussion über googlende Personalchefs ist ein gutes Beispiel, wohin sich der Begriff der Privatsphäre entwickeln muss. Auf der einen Seite ist es richtig, dass Partyfotos im internet nicht gerade einen guten Eindruck machen. Aber man sollte bei der Beurteilung einer Person dann schon abwägen, ob dieser das Bild seines letzten Suffs selbst ins Netz stellt – das wäre dann unter „Selbst schuld“ abzuspeichern – oder ob das Bild zufällig in irgendeiner Community stehenbleibt – wobei man auch dort versuchen sollte, es weg zu bekommen.
Aber so, wie irgendwelche Jugendsünden – seien es alkoholische oder frisurentechnische 🙂 – aus dem Real Life in den Gehirnen der damals Beteiligten gespeichert, aber nicht mehr abgerufen werden, müssen wir selbst lernen zu beurteilen, wie und wo eine „Internet-Jugendsünde“ abgelegt ist. Und da hilft nur die Berücksichtigung des Kontextes.
Am Ende ist es wie im richtigen Leben – wenn die Menschen beginnen würden, sich im Netz wie im richtigen Leben zu benehmen, wäre viel gewonnen – in Bezug auf Datenschutz, Persönlichkeitsrecht und Privatsphäre.
Interessant, bei der FTD ist man ähnlicher Meinung: Siehe hier
Dank an Thomas Mavridis für den Link, ich habe bei Facebook noch einen Kommentar hinterlassen.