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Qualität statt Pseudoaktualität

Die CAx-Branche ist größtenteils noch im Weihnachts- und Jahreswechsel-Sleepmode, wichtige Meldungen wurden in diesem Jahr noch nicht gesichtet. Deshalb möchte ich heute einmal anhand eines aktuellen Beispiels eine Lanze für guten Journalismus brechen und zeigen, wie wichtig dieser ist – auch und gerade in Zeiten der vermeintlich unendlichen Informationsflut aus dem Internet.

Social Media wie Twitter & Co. haben es in den Mainstream geschafft. Interessant, wie sich die sogenannten etablierten Medien und Social Media in den aktuellen Affären rund um Bundespräsident Wulff gegenseitig beeinflussen. Da wird auf der einen Seite fleißig Twitter, Facebook oder „das Internet“ zitiert, auf der anderen Seite bringt sich schon das „Wulffplag“ in Stellung, um die Verfehlungen des Bundespräsidenten zu dokumentieren. Verfolgt man die aktuelle Entwicklung beispielsweise bei Twitter über den Hashtag #wulff, zeigt sich eine wilde Mischung aus Nutzerkommentaren, Wortmeldungen von echten und eingebildeten Experten, aber auch einer Vielzahl von Politikern und Parteien-Accounts.

Man bekommt auf der einen Seite das Gefühl, ganz nah an der Entwicklung dabei zu sein, wenn beispielsweise der Erste parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Peter Altmeier twittert: „Ich mach mich jetzt vom Acker. Wünsche mir, dass Christian seine Anwälte an die Leine legt und die Fragen/Antworten ins Netz stellt.“

Auf der anderen Seite zeigt sich sehr schnell, dass man kaum in der Lage ist, den Tweets zu folgen – zu viele, zu viele irrelevante Kommentare, zu viele Retweets (Weiterleitungen an die eigene Gefolgschaft), die die interessanten Meldungen überlagern. Es melden sich über Twitter nach und nach jede Zeitung/Zeitschrift, jeder Politiker und jede Partei zu Wort – aber was davon ist relevant, und wie relevant ist es? Es macht ja durchaus einen Unterschied, ob ein Hinterbänkler einer Oppositionspartei Wulff kritisiert oder der Erste parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – von Ersterem erwartet man eine solche Reaktion, von Letzterem ist es durchaus ein zukunftsweisendes Zeichen.

Um ein sinnvolles und richtiges Bild der Affäre zu erhalten, ist also ein Filter notwendig, der die Informationen nach Relevanz sortiert, Informationsmüll beiseitelegt und verifiziert. Die interessanten – und neuen! – Informationen  müssen dann noch miteinander in Verbindung gebracht werden, was ein gerüttelt Maß an Hintergrundwissen erfordert. So steigt die Relevanz des zitierten Tweets von Peter Altmaier, wenn man weiß, dass dieser ein sehr enger Vertrauter der Bundeskanzlerin ist. Wenn sich nun noch CDU-MdB Siegfried Kauder über Twitter zum selben Thema äußert: „Christian Wulff sollte seinem Versprechen nach Transparenz schlussendlich nachkommen, um das Amt nicht nachhaltig zu beschädigen.“, gewinnt man schnell – wie denn auch auf Twitter zu lesen war – den Eindruck, die Führungsspitze der CDU habe sich von Wulff distanziert. Dabei denken diese Zwitscherer allerdings an Siegfrieds Bruder Volker Kauder, den Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; Siegfried ist in der CDU-Hierarchie wesentlich weiter unten angesiedelt, aber eben auch im Bundestag, was zu mancher Verwechslung führt. Inzwischen ist nicht einmal mehr sicher, dass der Account @kauderMDB überhaupt ein echter Account von Siegfried Kauder ist oder nur ein Fake-Account – denn bei Twitter kann sich jedermann unter jedem Name anmelden.

Es ist also wichtig, bei jeder neuen Information genau zu bewerten, wo sie herkommt, wem sie nutzt und wie sie mit allen anderen Informationen in ein Gesamtbild passt. Und genau das macht guten Journalismus aus, auch Fachjournalismus, auch im CAx-Bereich: Es genügt einfach nicht – wie in vielen Portalen zu finden – Pressemitteilungen der relevanten Hersteller zu veröffentlichen und über diese Sammlung „Branchennews“ drüberzuschreiben.

Soll der Leser wirklich profitieren, muss über die Pressemitteilung geschrieben werden, mit Bewertung und nach beherztem Löschen des allzu marketinglastigen Füllmaterials. Bleibt nach diesem Redigieren noch Relevantes übrig, darf man diesen Text als News veröffentlichen. Das bedingt natürlich, dass nicht jede Pressemitteilung, sondern im Gegenteil nur die tatsächlich wichtigen oder interessanten Mitteilungen veröffentlicht werden – was wiederum die „Schlagzahl“ und vermeintlich auch die Aktualität sinken lässt. Es kann durchaus einmal vorkommen, dass eine oder zwei Wochen lang einfach nichts Interessantes passiert – gerade in einer überschaubaren Branche wie dem CAx/PLM-Bereich.

Das muss man dann eben aushalten – als Schreiber ebenso wie als Leser. Hier wird Relevanz jedenfalls höher bewertet als eine hohe Frequenz der Veröffentlichung. Qualität statt Pseudoaktualität, Klasse statt Twitter-Masse. Ich hoffe, Sie als Leser sehen das genauso. Was erwarten Sie von Nachrichtenportalen?

 

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